Erst Feuer und Flamme, dann ausgebrannt?

Energielos, erschöpft und zunehmend geistig distanziert? Es gibt Wege aus der Burn-out-Falle.

Von Franziska Just

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Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche und lähmende Müdigkeit waren vor fünf Jahren die täglichen Begleiter von Meike Haas, damals Lehrerin und Studienrätin. Laut einer DAK-Studie zur Lehrergesundheit in Corona-Zeiten ist aktuell jede vierte Lehrkraft von ähnlichen Anzeichen eines Burn-outs betroffen.

Burn-out – Wie ernst ist das Syndrom?

Burn-out ist die völlige seelische und körperliche Erschöpfung aufgrund von langanhaltendem, unbewältigtem (beruflichem) Stress. Das Syndrom zeichnet sich durch Energielosigkeit, Erschöpfung und zunehmende geistige Distanz zum Lehrerinnenberuf aus. Es kann mit einer negativen Haltung oder Zynismus gegenüber Schülerinnen sowie einem verringerten beruflichen Leistungsvermögen verbunden sein. Dr. Anke Pielsticker von der Bayerischen Psychotherapeutenkammer (PTK) berät seit 15 Jahren Lehrkräfte bei psychischen Problemen. Sie erklärt, dass mit Inkrafttreten des neuen Klassifikationssystems von Krankheiten ICD-11 im Jahr 2022 Burn-out eine anerkannte klinisch relevante Symptomatik wird. Sie betont: „Das Burn-out-Syndrom stellt auch eine Gefährdung dar, eine tiefergehende Störung zu entwickeln, wie zum Beispiel eine Depression.“

Burn-out als besonderes Phänomen bei Beziehungsberufen

Laut Dr. Anke Pielsticker sind Lehrkräfte besonders anfällig. Das liegt auch daran, dass Lehrerinnen einen Beziehungsberuf ausüben. Pielsticker beschreibt diesen so: „An Lehrerinnen werden täglich von Schüler*innen, Eltern, Kolleg*innen sowie der Schulleitung unterschiedlichste Bedürfnisse und Erwartungen herangetragen. Sie stehen ständig im gesellschaftlichen Fokus, bei gleichzeitig geringer Anerkennung.“ Die größten Belastungen sind nach Pielsticker beispielsweise Dauerlärm sowie Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen von Schüler*innen. Auch Nachmittagsunterricht, Korrekturaufwand, Digitalisierung und die Coronapandemie führen zu Überlastung. Oft kommt eine Doppelbelastung durch eigene Kinder oder pflegebedürftige Eltern hinzu.

Perfektionismus und Idealismus als Katalysatoren

„Jüngere und ältere Lehrkräfte sind betroffen“, führt Pielsticker fort. „Älteren fehlt die Resilienz und sie sind eher überfordert durch Fernunterricht. Den Jüngeren fehlt die Distanzierungsfähigkeit, sie sind überengagiert oder haben zu viel Idealismus.“ Wer zu sehr „Feuer und Flamme“ für seinen Beruf ist, läuft also eher Gefahr, irgendwann ausgebrannt zu sein. Perfektionismus führt zu unrealistischen (Leistungs-)Erwartungen an die Schüler*innen und sich selbst. Überzogene Selbstkritik wirkt wie ein Katalysator auf das Burn-out-Syndrom.

Der erste Schritt: Das Selbsteingeständnis

Wie viele Betroffene befand sich auch Meike Haas trotz innerem Druck im „Funktionieren“ und „Machermodus“ gefangen. Oft ist die Scham gegenüber anderen und sich selbst sehr groß. Manche Lehrer*innen fürchten um ihre Verbeamtung. Haas beschreibt das so: „Meine Körpersymptome und Gefühle habe ich monatelang verdrängt. Erst als ich so erschöpft war, dass ich gar nicht mehr aufstehen wollte, habe ich einen Arzt aufgesucht. So konnte ich die Situation langsam annehmen.“

Ganzheitliche Therapie und umfassende Hilfe

Mit der Selbsterkenntnis beginnt der Lösungsprozess. „Ich bekam für drei Monate einen Platz in einer Tagesklinik und eine längerfristige Krankschreibung, damit auch die Schule planen konnte“, erklärt Haas. Einige Kliniken sind auf Lehrkräfte spezialisiert. Ein ganzheitlicher Therapieansatz berücksichtigt körperliche sowie seelische Symptome. Um später, beispielsweise für eine Verbeamtung, die Wertigkeit der Erkrankung einzuordnen, braucht es einen fachärztlichen Bericht mit Diagnose und Verlauf. Für die Organisation des Genesungsprozesses ist oft Unterstützung notwendig. Haas verdeutlicht: „Ich war damals alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern. Freunde und Bekannte haben meine Kinder von der Kita und Schule abgeholt und bis abends betreut. Für den Rückhalt und die liebevolle Unterstützung bin ich aus tiefstem Herzen dankbar.“

Langsamer Wiedereinstieg oder berufliche Neuorientierung

Bei längerer Dienstunfähigkeit gibt es das betriebliche Eingliederungsmanagement. Der Amtsarzt kann eine mehrmonatige Stundenreduktion aus gesundheitlichen Gründen empfehlen. Haas rät dazu, behutsam in den (Berufs-)Alltag zurückzukehren. „Ich habe meine alten Glaubenssätze, meinen inneren Antrieb und meine Muster verändert. Heute habe ich mehr Energie und Lebensfreude als jemals zuvor“, freut sie sich. Als ausgebildeter Life- und Resilienz-Coach gibt Haas ihre Erfahrungen mittlerweile erfolgreich an Lehrkräfte weiter. Sie erklärt: „Ich weiß, wie man sich mit einem Burn-out fühlt. Aufgrund meiner fast 20-jährigen Tätigkeit als Lehrerin und meiner Coaching- und Yogaausbildungen habe ich die Expertise, Lehrende individuell auf ihrem Weg zu begleiten und zu unterstützen.“

Physische und psychische Gesundheit – eine Frage der Haltung

Lehrkräfte können ein Burn-out vermeiden, indem sie vorsorgen. Dr. Anke Pielsticker beschreibt Verhaltensweisen, um Belastungen besser zu bewältigen, wie „Präsenz, Klarheit und Konsequenz in den Regeln, Humor sowie klare Grenzen zwischen Schule und Privatleben“. Freizeit, Hobbies, Urlaub und soziale Kontakte sind wichtig zum Abschalten. Pielsticker und Haas sind sich einig, dass die Lehrkräfte am besten präventiv etwas für ihre Gesunderhaltung tun, um Warnsignalen des Körpers frühzeitig entgegenzuwirken.

Selbstfürsorge durch Kraft- und Ruhepole

Hilfreich sind Kurse zur Stressreduktion durch Achtsamkeits- und Entspannungstechniken wie Yoga oder Coaching-Programme zur Selbstreflexion, Persönlichkeitsentwicklung und Stärkung der Resilienz, wie Haas sie heute anbietet. Haas erläutert die Vorteile: „Die Lehrkräfte erlangen ein Bewusstsein für ihre Bedürfnisse. Sie nehmen den eigenen Körper, die Gedanken und Gefühle wieder wahr, halten inne und steigern ihre Selbstwirksamkeit.“ So begegnen die Teilnehmerinnen sich selbst mit Wertschätzung und Nachsicht. Sie gewinnen Energie, Zuversicht und Gelassenheit. Für Haas ist diese Selbstfürsorge in Verbindung mit Entschleunigung die Basis für ein nachhaltig gesundes und glückliches (Lehrerinnen-)Leben.

Schnelle Hilfe im Fall eines Burn-outs

Sie können sich an Beratungstelefone für Lehrkräfte oder schulpsychologische Beratungsstellen in Ihrem Bundesland beziehungsweise Stadt- oder Landkreis wenden. Auch Ihre Krankenkasse hilft Ihnen bei der Therapieplatzwahl. Im Akutfall können Sie Kliniken mit einer psychiatrischen beziehungsweise psychosomatischen Abteilung kontaktieren.